Das familiäre Kaffeetrinken wird spätestens um 15.30 Uhr beendet. Ein leichtes Kribbeln kündigt meine Vorfreude an. Nichts hält mich dann daheim.
Seit mehr als dreißig Jahren verbringe ich geschätzte 25 Sonntagnachmittage eines Jahres auf dem Sportplatz. Schon als Kind habe ich sie geliebt, diese ganz spezielle Stimmung, die so ein
Fußballspiel umgibt. Und damit meine ich nicht etwa ein Match zwischen Weltklasse-Kickern mit Gagen, bei denen „unverschämt“ noch untertrieben ist, sondern ein Spiel meines Heimatvereins.
Vielen fehlt das Verständnis für meine Art der Sonntagsgestaltung.
Manchmal verstehe ich es selbst nicht.
Ich kann nicht genau beschreiben, was es ist, das mich so begeistert.
Ich kann auch nicht genau erklären, was mich antreibt, dass ich Woche für Woche, bei Kälte und Hitze, bei Regen und Wind bereit bin, am Spielfeldrand zu stehen oder zu sitzen und die Elf auf dem
Platz anzufeuern.
Logisch, ich mag Fußball.
Ich mag den Verein, die Spieler, die Fans.
Ich mag, wenn wir gewinnen.
Aber vielleicht ist es auch das, was ich mag: zu wissen, dass es für zwei Stunden nur dieses Spiel gibt, dass es erlaubt ist zu schreien, aus vollstem Herzen zu jubeln und im nächsten Moment vor
Ärger zu fluchen.
Ich verbinde mit meinem Sonntags-Feeling auch den Geruch von Sportgel, Bratwürstl mit Sauerkraut und frisch gemähtem Rasen, den Geschmack von Bier, einer Leberkässemmel und Zwiebel-Schmalzbrot,
das Gefühl von „es geht um nichts und doch um alles“.
Nach dem Abpfiff stellt sich dann entweder euphorische Erleichterung ein, die einen Sieg so schön macht. Oder man hat einen Dämpfer im Form einer Niederlage erhalten und kann nun über
die Gegner, den Schiedsrichter und die Ungerechtigkeit der Fußballwelt jammern. Doch nach einer ausgiebigen Analyse in der Kantine weiß man: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“.
Ob ich auf den Sportplatz gehe, um zu plaudern? Ja, natürlich auch. Aber, so sagt man mir, ich bin in diesen 90 Minuten als Gesprächspartnerin ungeeignet, weil Augen, Ohren und Gedanken ständig
beim runden Leder sind. Manchmal vergesse ich auch, dass ich Kinder dabeihabe. Aber nur während des Spiels. Beim Heimgehen nie.
Mir fehlt es, in dieser spielfreien Corona-Zeit, mein Sonntags-Feeling.
© Carmen Wurm