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Lieblingsgemüse

Wenn wir als Kinder und Jugendliche beim Erdäpfel-Rodern die Zeilen zählten und auf ein Ergebnis jenseits der Dreißig kamen, hing uns die Kinnlade gewaltig hinunter.

 

Das bedeutete nämlich:

Noch mindestens dreißig Mal im Acker auf und ab gehen, uns nach den braunen Knollen bücken und diese nach groß (in die Scheibtruhe und dann direkt auf den Anhänger; für uns) und klein (in den Eimer und dann in Säcke; für die Schweine und Hühner) sortieren.

 

Meistens klaubten wir in Dreiergruppen, wobei jede Gruppe ein bestimmtes Stück zu bearbeiten hatte.

Über die Länge wurde zwischenzeitlich debattiert, weil sich immer jemand ein bisschen benachteiligt fühlte und glaubte, viel mehr Ackerstück als die anderen abbekommen zu haben.

Wir Kinder vor allem.

 

Aber während wir diskutierten, zwischendurch aufschrien, weil wir ein Mäusenest entdeckt hatten, Trinkpausen einlegten, erdige Zuckerl aus Omas Schürzentasche lutschten, manchmal mit kleinen Erdäpfeln nach unseren Geschwistern warfen und sich die Anhänger und Säcke stetig füllten, wurden auch die Zeilen weniger.

 

Wir waren immer sehr viele Klauber und so saß Papa oft ohne Unterbrechung auf dem Traktor und schleuderte mit dem "Roderer" die gelben Früchte aus dem Boden.

 

Irgendwann kamen dann die schönsten Momente beim Erdäpfelrodern:

 

Erstens, wenn es hieß „letzte Zeile“; zweitens, wenn man auf dem Erdäpfelanhänger sitzend heimfuhr und drittens, wenn man, gemeinsam mit allen Helfern, bei der Erdäpfelroder-Jause zulangen konnte.

Nie schmeckten Erdäpfelkäse, Speckbrot, Wurstsemmel und Zwetschkenkuchen besser.


Satt und zufrieden ließen wir dann den riesigen Haufen in den Keller rollen. Der Winter konnte kommen.
Mama kochte jeden Tag Erdäpfel und wir aßen sie einfach zu allem, sogar zu Lasagne und Nudelsuppe (in der linken Hand den Erdapfel, von dem wir abbissen, rechts den Suppenlöffel). 
Kartoffeln als Grundnahrungsmittel waren in vielen Mühlviertler Haushalten schon immer eine unersetzliche Größe.


Mit den Jahren wurden die Erdäpfeläcker kleiner und die Zeilen weniger.
Weil es ein mühsames Unterfangen ist, bis man die Nachtschattengewächse auf dem Teller hat.
Sortieren, setzen, grasen, Käfer und ekelhafte Larven klauben, ernten - all das erfordert Zeit und Mühe.


Aber ganz aufgeben kann man als Mühlviertlerin den Erdäpfelanbau nicht.

Einige Knollen werden bei uns auch jetzt noch auf irgendeinem Fleckerl versteckt.

Für die erste, frühe Ernte im Juli.

Frisch ausgegrabene Kartoffeln, in Salz-Kümmelwasser mit Schale gekocht, sind sowas von gut und mit Butter und einer Schüssel Salat ein schnelles Sommer-Essen.


Mittlerweile (oder vorübergehend?) befüllen wir unseren Keller im Herbst mit Erdäpfeln von Bauern aus der Umgebung.

Das muss sein, denn es würde mich nervös machen, wenn wir nicht eine größere Menge eingelagert hätten.

Habe ich Kartoffeln, habe ich immer eine optimale Grundlage für eine Mahlzeit.


Ein (Ess)Leben ohne Erdäpfel kann ich mir auch gar nicht vorstellen.
Weil sie so vielseitig zu verwenden sind, man ihrer nie überdrüssig wird und sie einfach gut schmecken.
In allen möglichen Variationen.

Süß und sauer.

Warm und kalt.

Geröstet, „gspeidelt“ mit Leinöl oder als Salat, gepresst als Püree, eingekocht als Gulasch, überbacken, frittiert, in Petersilie gewälzt, als Reiberdatschi, Kroketten, Knödel oder Rösti, … und – wie ich sie besonders gerne mag – als Erdäpfelteig.

Wenn dann auch noch „Kloa Nurein“ daraus werden, ist mein Tag, zumindest kulinarisch, ein schöner.


Für Tage, an denen man viel Zeit zum Kochen hat, hier ein ungefähres Rezept:

Kloa Nurein
("Kleine Nudeln")
Erdäpfel mit Schale kochen, schälen und pressen.
Ich hab mir sagen lassen, dass sie entweder heiß oder kalt sein sollen, wenn man sie verarbeitet (und nicht „zwizah“, also lauwarm…).
Hat man den gepressten Erdäpfelhaufen auf der Arbeitsfläche, macht man daneben einen Mehlhaufen, der ca. halb so groß ist. Mehl und Erdäpfel locker mischen. Salz, geriebene Muskatnuss, ein kleines Stück Butter und ein Ei dazu geben und schnell zu einem Teig kneten.

In einer Pfanne Butterschmalz erhitzen.

Vom Teig kleine Stückchen abzupfen und mit viel Mehl zu kleinen Nudeln formen, die an den Enden spitz sind.

Im Butterschmalz beidseitig anbraten und in eine Rein geben.

Im heißen Rohr ca. zwanzig Minuten backen, dann mit einem Rahm-Ei-Gemisch übergießen und fertig backen.

Apfelkompott schmeckt mir am besten dazu.

 

 © Carmen Wurm

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Kommentare: 2
  • #1

    Barbara (Freitag, 23 Juli 2021 19:11)

    Im Burgenland sagens übrigens zu den Erdäpfeln "Krumpern", das kommt von Grundbirnen.

  • #2

    Carmen (Samstag, 24 Juli 2021 07:51)

    Ja die heißen überall anders....wär eh interessant, die verschiedenen Bezeichnungen zu sammeln